Kurzbericht über den Vortrag
von Gerhardt W. Schuster
Der Referent, Verfasser eines einschlägigen Buches und Organisator einer bedeutenden TIBET-Ausstellung [1], hat vor nicht allzu langer Zeit einen thematisch ähnlichen Vortrag im "FOCUS" gehalten, daher spiegle ich als Basisinformation zunächst den Bericht über jenen Vortrag und gehe dann im folgenden nur auf das ein, was im Rahmen unserer Gesellschaft noch darüber hinaus ausgeführt worden ist.
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Der Vortrag ist von tibetischer Musik eingeleitet worden, während zum Schluß eine Reihe von sehr eindrucksvollen Diapositiven mit entsprechenden Erklärungen gezeigt wurde.
Weiters hat der Referent, der einerseits von der Ethnologie und andererseits vom Kunsthandel herkommt, auch Originalmaterial aus seiner Sammlung mitgebracht: die mehrteilige Zeremonialkrone eines Orakels und ein Pektorale (Spiegel mit Mantra des betreffenden "Geistwesens").
All dies Anschauungsmaterial, das hier natürlich leider nicht wiedergegeben werden kann, hat diesen Vortrag zu einem Erlebnis gemacht, das die o. a. Ausstellung schon mit sehr großer Spannung erwarten läßt.Eingangs hat der Referent zunächst klargestellt, was er unter dem "Alten" TIBET versteht: im wesentlichen TIBET vor dem chinesischen Einmarsch von 1950. Im Anschluß daran hat er sich – von Forschungsergebnissen jahrelanger eigener Reisen abgesehen – vor allem auf die Autoren HEDIN, DAVID-NEEL, tlw. auch HARRER, aber insbesondere auf SCHÄFER bezogen, gleichzeitig aber von gewisser kritischer Literatur, die derzeit en vogue ist, deutlich distanziert – und wohl auch mit Recht. Allerdings ist der vor wenigen Jahren hochbetagt verstorbene SCHÄFER aufgrund seiner seinerzeitigen Kontakte zu höchsten Nazi-Kreisen [2] weitgehend ins Zwielicht geraten, was jedoch seinen Forschungsresultaten keinen Abbruch tut.
Im Zentrum der Ausführungen des Referenten ist die Institution der Orakel gestanden, denen in TIBET große Wichtigkeit beigemessen wird, im Fall des Staatsorakels (durch das sich DORJE DRAK-DEN NECHUNG, die Hauptschutzgottheit der tibetischen Regierung und des DALAI LAMA, offenbart) auch politische Bedeutung. Unter dem Begriff "Orakel" ist dabei der betreffende Mensch selbst zu verstehen (der tibetische Terminus lautet Kuten = eigentlich: die "physische Grundlage"), "durch" den sich während dessen Trance ein "Geistwesen" äußert – eine klassische Konzeption von (temporärer und freiwilliger) Besessenheit bzw. von Mediumismus.
Während des Trancerituals trägt der Kuten die traditionelle zeremonielle Bekleidung, die so schwer ist, daß er damit kaum gehen kann – er wird auch von Helfern gestützt. Teil dieser Bekleidung ist ein Harnisch, ein Helm (den er nur zeitweise trägt) und ein Zeremonialschwert: das Martialische dieser ganzen Aufmachung ist nicht zu verkennen. Das Ritual wird von Musik- bzw. Rhythmusinstrumenten eingeleitet. Erst nach Einsetzen der Trance bzw. ab einem bestimmten Stadium derselben [3] wird dem Kuten der Helm aufgesetzt, dessen Gewicht der Referent mit 38 kg angibt [4] und der auch beim Ende der Trance von den Helfern sogleich wieder abgenommen wird. Während des Trancezustandes hingegen scheint dieses schwere Gewicht keine Rolle zu spielen, es hindert das Orakel nicht daran, zu tanzen, ja wild umherzuspringen, sich niederzuwerfen und wieder aufzuspringen, oder sich so tief herabzubeugen, daß der schwere Helm den Boden berührt. Fängt der Tanz auch langsam und würdevoll an, sehr bald hat er etwas Wildes und Ungestümes an sich. Vielfach wird dabei auch die Klinge des zeremoniellen Schwerts verbogen, geradezu ein Knoten hineingemacht. Solche verbogenen Schwerter hat der Referent selbst gesehen.
Die Assistenten sind eifrig bemüht, jedes Wort aufzuschreiben, welches das Orakel während des Trancerituals von sich gibt – schwer verständliche, scheinbar unartikulierte Laute, und doch ein Inhalt, der einen Sinn ergibt. Nach dem Ende der Rede bzw. der Beantwortung von Fragen folgt ein letztes Opfer, dann bricht das Orakel geradezu zusammen, der Helm wird, wie erwähnt, entfernt und der Kuten mehr hinausgetragen als hinausgeführt. –
Ein weiterer, die Parapsychologie ggf. interessierender Aspekt der tibetischen Bön-Religion – die ja sowohl archaische schamanistische Elemente als auch solche des Buddhismus enthält – ist die Vorstellung vom Bardo, dem "Zwischenreich" nach dem Tode. Der Referent hat, was durchaus naheliegend erscheint, den Bardo mit Todesnähe-Erfahrungen in Beziehung gesetzt [5].
Diskussion :
Wie bei einem so faszinierenden Thema zu erwarten, war die Diskussion sehr lebhaft. Aus der Fülle der Anfragen möchte ich bloß meine nach dem Verbiegen der Schwertklingen herausgreifen, welches ja deutlich an den GELLER-Effekt (paranormales Metallbiegen, PMB, auch psychokinetisches Metallbiegen, PKMB) erinnert. Der Referent betont, daß es sich bei diesen Klingen um spröde Materialien handle, welche auch nicht unter dem Einsatz von Muskelkraft verbogen werden können, sondern eher brechen würden. Jedoch würden sie, während dieses vom Referenten als psychokinetisch aufgefaßten Vorgangs im Rahmen der Besessenheitstrance, weich werden und in diesem Zustand vom Orakel gebogen werden. (Kommentar: Die Aussage, daß metallische Gegenstände kurzzeitig plastisch würden, findet sich unisono bei den entsprechend begabten Psychokineten, auch bei meinen Versuchspersonen.)
[1] "Geheimnisvolle Welt des Alten Tibet" auf der Schallaburg 21. April 2001 - November 2001.
Kostenlose Informationen zur TIBET-AUSSTELLUNG und über das FESTIVAL-PROGRAMM 2001 kann direkt vom Referenten unter tibetgeheimnisse@kronline.at angefordert werden.
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[2] Der Referent hat es mit diesem Hinweis auf "höchste Nazi-Kreise" bewenden lassen.
Genau gesagt, ist SCHÄFERs Expedition von 1938/39 aufgrund des Interesses, das der Reichsführer-SS, Heinrich HIMMLER, bzw. maßgebende Kreise der Stiftung "Das Ahnenerbe e. V." der SS dem Lande TIBET entgegenbrachten, von der SS finanziert worden; der Autor dankt in den Originalausgaben seiner Bücher der SS auch dafür, ein Hinweis, der natürlich in den Neuauflagen nach dem Krieg, zuletzt im Verlag "Windpferd", gestrichen worden ist.
Dieses Interesse des okkult ausgerichteten Flügels der SS hat seine Wurzeln einerseits in der NS-Rassenideologie, andererseits (und dabei erneut mit einer Rassenlehre verknüpft) in den Machwerken von H. P. BLAVATSKY, der Begründerin der sog. "Theosophie".
Über das Thema "Okkultismus und Nationalsozialismus", über das in den letzten Jahren viel Literatur, vor allem minderwertige, erschienen ist, und das einen in sich hochinteressanten Komplex darstellt, orientiert auf seriöse Weise bestens der mir übrigens persönlich bekannte Nicholas GOODRICK-CLARKE in seinem Werk: "The Occult Roots of Nazism - Secret Aryan cults and their influence on Nazi ideology" (1985), deutsche Übersetzung: "Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus", Stocker, Graz (1997).
Speziell zum SS-Okkultismus bzw. zur TIBET-Connection:
Rüdiger SÜNNER: "Schwarze Sonne - Entfesselung und Mißbrauch der Mythen im Nationalsozialismus und rechter Esoterik", Herder, Freibg. (1999).
Aufsätze zu dieser Thematik:
- Reinhard GREVE: "Tibetforschung im SS-Ahnenerbe - Das SS-Ahnenerbe als kulturpolitisches Machtinstrument Himmlers" in: T. HAUSCHILD (Hg.): "Lebenslust und Fremdenfurcht - Ethnologie im Dritten Reich", Suhrkamp, Frankfurt a.M. (1995) - Mechthild RÖSSLER /Sabine SCHLEIERMACHER: "Himmlers Imperium auf dem 'Dach der Erde' - Asien-Expeditionen im Nationalsozialismus" in: M. HUBENSTORF & al. (Hg.): "Medizingeschichte und Gesellschaftskritik, Festschrift für Gerhard Baader", Matthiesen Verlag, Husum (1997) - "Das Tibet-Bild der Nationalsozialisten" in: Tibet-Forum 2/96, Altenstadt
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[3] Es verändert sich die Atemfrequenz, die jetzt rasant zunimmt – diese Hyperpnoë erinnert an manche ("physikalischen") Medien, z. B. die Brüder SCHNEIDER, insbesondere Rudi.
Vgl. P. MULACZ: "Zur Frequenz der Respiration während des Trancezustandes sogenannter 'physikalischer' Medien", Grenzgebiete der Wissenschaft, Innsbruck, 40 (1991) 4.
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[4] Der DALAI LAMA nennt in seiner Autobiographie "Das Buch der Freiheit" (TB, Lübbe, Berg.-Gladb. [1992]) für die Gegenwart andere Zahlen: "[Es] wird ein riesiger Helm auf seinen Kopf gesetzt. Dieser Gegenstand wiegt ungefähr dreizehn Kilo. In früheren Zeiten wog er mehr als sechsunddreißig."
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[5] Auf einer bloß phänomenologischen Ebene ist diese Parallele unübersehbar. Allerdings muß bei wissenschaftlichem Vorgehen hinterfragt werden, ob nicht die korrespondierenden Elemente beider Bereiche (die namenlosen Erfahrungen, die der Konzeption des tibetischen Bardo zugrundeliegen dürften, und die rezenten Todesnähe-Erfahrungen westlicher Berichterstatter) auf dieselben physiologischen Prozesse zurückzuführen sind.
Vgl. S. J. BLACKMORE & T. S. TROSCIANKO: "The Physiology of the Tunnel", Journal of Near-Death Studies 8 (1989), sowie S. BLACKMORE: "Near-Death Experiences: In or out of the Body?", The Skeptical Inquirer 16 (1991), deutsche Übersetzung: "Beinahe tot" in: G. v. RANDOW (Hg.): Der hundertste Affe, Rowohlt-TB, Rnbk. (o. J.).
Vgl. dazu auch die On-line Demonstrationen unter NEAR-DEATH EXPERIENCE MINUS FOLK PSYCHOLOGY, PSEUDOSCIENCE, AND SUPERSTITION und insbesondere THE DYING NEURAL
NETWORK.
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Literaturangaben:
Christoph BAUMER: Bön. Die lebendige Ur-Religion Tibets.
ADEVA, Graz (1999)
Martin BRAUEN: Traumwelt Tibet - Westliche Trugbilder.
Paul Haupt, Bern (2000)
Alexandra DAVID-NEEL: - Heilige und Hexer.
Neuaufl. Thienemann, Stgt. (1999)- Im Banne der Mysterien.
Nymphenburger, Mchn. (1998).
Dass., TB Droemer Knaur, Mchn. (2000)- Unsterblichkeit und Wiedergeburt.
Lehren und Bräuche in China, Tibet und Indien.
Nymphenburger, Mchn. (2000)- Mein Indien.
TB Droemer Knaur, Mchn. (1993)- Wanderer im Wind.
Reisetagebücher in Briefen 1911 - 1917.
Weitbrecht (2000)- Mein Leben auf dem Dach der Welt.
Reisetagebuch 1918-1940.
Nymphenburger, Mchn. (1999).
[TB in Vorbereitung]
Colin GOLDNER:
Dalai Lama: Fall eines Gottkönigs.
TB Alibri, Aschaffenburg (1999) [kritisch]
Heinrich HARRER: - Sieben Jahre in Tibet.
Mein Leben am Hofe des Dalai Lama.
TB (1997)- Wiedersehen mit Tibet.
TB (1997)- Das alte Lhasa.
Bilder aus Tibet.
Ullstein, Bln. (1996)- "Harrerportfolio"
Sven HEDIN:
Abenteuer in Tibet. 1899 - 1902.
Weitbrecht, Stgt. (2000)
Ernst SCHÄFER: - Tibet ruft.
Forschung und Jagd in den Hochgebirgen Osttibets. Tibetexpediton 1931/32.- Fest der weissen Schleier.
Eine Forscherfahrt durch Tibet nach Lhasa, der heiligen Stadt des Gottkönigtums.- Geheimnis Tibet.
Erster Bericht der Deutschen
Tibet-Expedition Ernst Schäfer 1938/39.- Unbekanntes Tibet.
Durch die Wildnisse Osttibets zum Dach der Erde.- Dach der Erde.
Durch das Wunderland Hochtibets.(unterschiedliche Auflagen, alle - mittlerweile auch die Neuauflagen bei "Windpferd" - vergriffen)
Gerhardt SCHUSTER:
- Das Alte Tibet - Geheimnisse und Mysterien. Niederöst. Presse (2000) - Geheimnisvolle Welt des Alten Tibet. [Ausstellungskatalog, in Vorbereitung]
Victor u. Victoria TRIMONDI (d. i. Herbert u. Mariana RÖTTGEN): Der Schatten des Dalai Lama.
Sexualität, Magie und Politik im tibetischen Buddhismus.
Patmos, Düsseldorf (1999) [kritisch]Link: "Das Tibet-Geschäft" [kritisch]
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